Der Petterweiler Weg: Das große Aufstiegsinterview mit TVP-Trainer Martin Peschke

Eine Meisterschaft ohne Feier, ein Aufstieg ohne Fest. Heimlich, still und leise ist der TV Petterweil zurück in der Handball-Oberliga. Im Interview blickt Trainer Martin Peschke vor – und zurück.

Während eine Meisterschaft in der Handball-Landesliga, verbunden mit dem Aufstieg in die Oberliga, von vielen Vereinen als sportlicher Erfolg in die Vereinsgeschichte eingehen und entsprechend gefeiert werden würde, verhält es sich damit beim TV Petterweil etwas anders – und dies gleich in zweifacher Hinsicht. Die Handballer aus dem Karbener Stadtteil hatten bereits in der Vergangenheit mit ihren Erfolgen für Aufsehen und überregionale Bekanntheit gesorgt. Etliche Jahre spielten sie in der Regionalliga (vergleichbar mit der heutigen 3. Liga), selbst Ambitionen auf einen Aufstieg in die zweite Bundesliga waren vorhanden. Nach dem Rückzug in die Bezirksoberliga nach der Saison 2006/2007 aufgrund der Sorge, diese Ambitionen könnten zulasten des Gesamtvereins gehen, ist der Klub aus dem Karbener Stadtteil nun zurück in Hessens höchster Spielklasse – wenn auch ohne große Feier.
Fest steht: Zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs am 13. März hatte Petterweil 19 von 26 Spielen ausgetragen und stand mit 33:5 Punkten an der Tabellenspitze. Damit lag man nach Pluspunkten mit sieben und nach Minuspunkten mit neun Punkten vor dem härtesten Verfolger, Aufsteiger TV Idstein. Als Vater des Erfolgs gilt Trainer Martin Peschke, ein waschechter Petterweiler, der uns für ein Telefoninterview zur Verfügung stand.

Herr Peschke, Landesliga-Meister und Aufsteiger in die Oberliga Hessen. Wie zufrieden sind Sie?

Natürlich sind wir glücklich, dass wir den Sprung in die höchste hessische Spielklasse geschafft haben, jedoch wird die Freude aufgrund der aktuellen Lage gedämpft. Auf der einen Seite steht der Aufstieg, auf der anderen Seite konnte das nicht mit unseren Zuschauern gefeiert werden. So steht die Freude über den Aufstieg hinter der Hoffnung an, dass alle gesund bleiben.

Die Heimspieltage waren in der Sporthalle Sauerbornstraße immer Festtage. In der Oberliga kommen nun teils unbekannte Gegner und es fehlen Derbys. Gelingt es, die Atmosphäre zu erhalten?

Davon gehe ich aus. Unser Publikum hat schon immer unter Beweis gestellt, dass es unsere Heimspiele zu einer besonderen Sportveranstaltung verwandeln kann. Da die Mannschaft zum Großteil mit Einheimischen gespickt ist, besteht eine große Verbindung zwischen Team und Fans, sodass diese uns bestimmt auch gegnerunabhängig weiterhin unterstützen werden. Die Zuschauer werden außerdem neugierig auf das Abenteuer Oberliga sein.

Warum hat es gerade in dieser Saison geklappt? Schließlich stand fast die gleiche Mannschaft auf dem Feld, die eine Spielzeit zuvor auf der Zielgeraden „gescheitert“ war.

Es muss nicht immer ein Nachteil sein, wenn man eine Mannschaft unverändert lässt. Dadurch waren wir eventuell eingespielter als andere Mannschaften. Zudem hatte ich das Gefühl, dass die Jungs sich in einen Rausch gespielt haben. Und wir hatten unsere Erfahrungen in der Vorsaison gemacht, waren somit auf solch eine Situation vorbereitet.

Ihr Team hat im Saisonverlauf mit 495 Gegentoren die zweitbeste Verteidigung der Liga gestellt. Warum ist die Abwehr so wichtig für Ihr Spiel?

Mit einer guten Abwehr haben es die Torhüter meistens einfacher, sodass beide Leistungen Hand in Hand gehen. Beides hat bei uns ordentlich funktioniert, sodass wir zu einfachen Gegenstoßtreffern aus unserer Abwehr kamen. Mit jedem dieser Treffer konnten wir Kräfte sparen, was für unseren Positionsangriff sehr wichtig war.

Was macht die Besonderheit Ihrer Mannschaft aus?

Die Charaktere, die in der Summe einen sehr starken Mannschaftsgeist bilden. Wir mögen nicht die besten Individualisten haben, jedoch möchte ich das Team sehen, das mehr Lieder nach einem Sieg singen kann (lacht).

Welche Spieler haben die größte Entwicklung in der Runde gemacht?

Viele Spieler haben einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht, sonst wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Gerade unsere jungen Spieler wie Marcus Neuhalfen, Benedikt Pfeiffer, Florian Wassberg und Lennart Trouvain haben einen Sprung gemacht. Man kommt natürlich nicht an Jonas Koffler vorbei. Im Angriff kam er auf knapp zehn Tore pro Spiel, und hinten bekleidete er eine zentrale Abwehrposition und das nahezu jedes Spiel über 60 Minuten.

Wie haben Sie sich selbst als Trainer entwickelt?

Körperlich augenscheinlich zu meinem Nachteil. Trainertechnisch ist das schwer für mich selbst zu beurteilen. Da kann man nach einem solchen Erfolg so einiges erzählen. Man entwickelt sich ja stetig weiter durch die Erfahrungen, die man sammelt. Hoffentlich werden die meisten auch in Zukunft positiver Natur sein.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Die eine Formel gibt es nicht. Es müssen viele Faktoren zusammenkommen. Uns hat ausgemacht, dass wir hart trainiert haben, auf unsere Gegner gut vorbereitet waren, viel Spaß miteinander hatten und keinen Sieg als selbstverständlich angesehen haben,

Was bedeuten Ihnen persönlich Titelgewinn und Aufstieg?

Als Sportler und auch als Trainer will man immer gewinnen. Das ist doch neben dem spaßigen Zusammensein einer der Hauptantriebe, warum wir uns mehrfach in der Woche treffen. Beides haben meine Jungs ganz gut hinbekommen, und daher freue ich mich besonders für sie, dass sie sich belohnt haben.

Gab es auch eine Resonanz der alten Petterweiler Handball-Helden?

Viele ehemalige Legenden sind nach wie vor in der Halle anzutreffen und fiebern natürlich mit. Zum Beispiel Willi Jann, Albert Kunkel und Karl-Heinz Balser engagieren sich seit mehreren Jahrzehnten unglaublich für den TV Petterweil und gehören somit zu den Leuten, die einen großen Anteil am Erfolg haben.

Meisterschaften gebührend zu feiern, unterliegt in der Regel einem besonderen Prozedere mit Traktorfahrt durch die Gemeinde, Kommersabend mit lokaler Prominenz usw. Wie halten Sie es jetzt damit in Corona-Zeiten?

Wir halten uns natürlich an die Regeln und haben unsere Meisterschaftsfeier zunächst verlegt. Werden Feiern wieder erlaubt, kann man sich auf einiges gefasst machen. Genügend Zeit zur Planung haben wir ja jetzt.

Wie intensiv wurde trotz Corona bereits gefeiert?

Bevor die Kontaktbeschränkungen ausgesprochen wurden, haben wir uns spontan mit den Spielern auf einen griechischen Abend getroffen. Das würde ich jedoch noch nicht mal als Warmlaufen bezeichnen, auf das was noch folgen wird (lacht).

Trotz des Erfolgs hat diese Saison offenbart, dass Sie für die Oberliga personell nachlegen müssen. Wie weit ist die Planung?

Wir haben bis auf Roman Hitzel von allen Spielern eine feste Zusage für die kommende Saison. Roman wird eine Pause einlegen und hoffentlich noch einmal zurückkehren. Bislang haben wir drei Neuzugänge für die kommende Saison. Mit zwei Spielern sind wir noch in engem Kontakt. Namen will ich aber aktuell keine nennen.

Wie lässt sich in Corona-Zeiten mit den entsprechenden Einschränkungen überhaupt planen?

Konkret planen können wir, wie jeder andere Sportverein in Deutschland, momentan nicht. Über vielen Themen schwebt ein großes Fragezeichen, sodass wir in unterschiedlichen Szenarien planen müssen. Wir hoffen, dass wir in den kommenden Wochen mehr Gewissheit haben werden und somit auch unsere Pläne konkretisieren können.

Inwiefern muss sich der TVP wirtschaftlich neu und breiter für die nächsten Jahre aufstellen, um das Projekt Oberliga nachhaltig zu gestalten?

Zunächst werden wir unseren Prinzipien natürlich treu bleiben. Die Oberliga hat aber nicht nur spielerische, sondern auch neue finanzielle Herausforderungen. Die Reisen zu den Spielen werden teurer, die Schiedsrichteranforderungen sind höher, wahrscheinlich brauchen wir eine dritte Halleneinheit, die nicht kostenlos sein wird. Die Nachwuchsarbeit muss auch verstärkt werden. Demnach werden wir versuchen, uns breiter aber nicht neu aufzustellen. Unser Ziel bleibt, ein Verein in der Region für die Region zu sein. Deshalb soll der Kern der Mannschaft nachhaltig aus Petterweilern und Spielern der näheren Umgebung bestehen.

Welches perspektivische Ziel verfolgen Sie und Ihr Verein nun?

Wir wollen unserem „TVP-Stil“ treu bleiben, sportlich weiter hart arbeiten, um den maximalen Erfolg zu generieren, einen engen Draht zu den Zuschauern und Unterstützern pflegen und mit einem ehrlichen Umgang weiterhin eine tolle Gemeinschaft stellen. Schaffen wir das weiterhin, haben wir viel gewonnen.

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